Jagende Habichte: Vielseitige Spezialisten


Habichte sind mit ihrem langen Schwanz und den kurzen breiten Flügeln prädestiniert für schnelle wendige Jagdflüge, weshalb sie als Spezialisten für Beuteflüge auf drossel- bis taubengroße Vögel im deckungsreichen Wald gelten. Das ist schon richtig, aber nur ein Teil der Wahrheit, wie ich zeigen möchte.

Foto Wolfgang Wiesebach
Foto Wolfgang Wiesebach

Eine häufige Vorgehensweise der Habichte ist, regelmäßig günstig positionierte Ansitzbäume im Schutz des Waldes anzufliegen. Meistens sind das Bäume, von denen aus der Habicht schon in der Vergangenheit erfolgreich war. Entweder fliegt dann schon ein potentieller Beutevogel auf, der dann direkt verfolgt wird oder der Habicht setzt sich auf einen Ast und  wartet auf eine günstige Gelegenheit. Er nimmt seine Beute vor allem über akustische oder optische Reize wahr, die Anordnung seiner Kopffedern fördert dabei sein sehr gutes Hörvermögen. Kommt die erhoffte Gelegenheit nicht, fliegt er durch den Wald zur nächsten Sitzwarte.

 

Kommen ihm auffliegende oder unvorsichtige Vögel zu nah,  werden diese förmlich überrumpelt. Die Attacken werden so schnell durchgeführt, dass den Beutetieren häufig nur noch Zeit für ein Erschrecken bleibt. In vielen Fällen wählt der Habicht dabei nicht den direkten Weg, sondern nutzt das Bodenrelief und den pflanzlichen Bewuchs für einen möglichst gut gedeckten Anflug aus. Dieser kann dabei sehr flach, 50 cm über dem Boden, durch Gräben oder auch in Höhe der Baumkronen erfolgen. Höher fliegende Vögel, die wie Tauben ihre Augen relativ weit oben am Kopf haben, werden dabei meist von unten, erst möglichst gedeckt durch Bodenvegetation, dann unter Ausnutzung des toten Winkels angeflogen.

 

In anderen Fällen führen Habichte, häufig bei trübem Wetter, Pirschflüge in größerer Höhe durch, bei denen sie scheinbar ziellos umherstreifen um dann beispielsweise einen erspähten Taubenschwarm aus größerer Entfernung in hohem Tempo, begonnen mit einem Sturzflug, anzusteuern. Der Schwarm wird auseinandergesprengt und eine abgesondert flüchtene Taube direkt anvisiert oder wenn nötig über längere Distanzen verfolgt. Diese Jagdflüge können mehrere Kilometer lang sein, wobei das Weibchen dem Männchen an Endschnelligkeit und Ausdauer überlegen ist.

 

Kenntnisreiche Opportunisten

Typisch für Habichte ist, dass sie meist Standvögel sind, also gerne im angestammten Revier bleiben und es so mit den Jahren sehr gut kennenlernen. So wissen sie sehr genau, wann im Jahr welche Beute verfügbar und mit möglichst minimalem Aufwand zu schlagen ist. Wenn Tauben, Stare, Krähen ihre Jungvögel haben, steigt deren Anteil in den Beutelisten der Habichte stark an. Teils werden die Jungvögel aus dem Nest geholt, teils auch bei ihren ersten Flugversuchen erbeutet. Auch Versammlungen von erwachsenen Vögeln zur Zugzeit oder im Winter können eine Zeit lang Ziel der Jagdflüge sein. Häufig verändern dann die Beutevögel nach ein paar Tagen mit Habicht-Angriffen ihr Verhalten, woraufhin der Habicht diesen Ort dann auch nicht mehr aufsucht.

 

So wurden Krähen beobachtet, die sich auf einem zugefroreren See abends versammelt haben, bevor sie gemeinschaftlich zu ihren Schlafbäumen aufbrachen. Ein Habicht kam fast eine Woche lang jeden Abend aus der Deckung des Schilfgürtels und schlug eine Krähe, woraufhin die Krähen den Platz mieden und direkt zu den Bäumen flogen. Auch in einem anderen Fall jagte ein Habicht wiederholt Krähen, dieses Mal an den Schlafbäumen. Als diese sich einen neuen Schlafplatz suchten, jagte der Habicht von da an Reb- und Blässhühner.

 

Foto Uwe van Hoorn
Foto Uwe van Hoorn

Diese beiden Beispiele zeigen, wie Habichte die genaue Kenntnis ihres Reviers nutzen, um häufig vorkommende Beutetiere an typischen Plätzen zu jährlich wiederkehrenden Zeiten zu jagen: So werden zum Beispiel Mehlschwalbenbruten an den Rügener Kreidefelsen, Lachmöwenkolonien, Winterschlafplätze von Waldohreulen, Vogelansammlungen  an Müllhalden, Taubenschwärme auf Feldern  oder Balzplätze von Rauhfußhühnern regelmäßig von ihnen aufgesucht.

 

Wasser-Jagd

Auch wenn der Habicht als Waldspezialist gilt, gibt es doch viele dokumentierte Beispiele, in denen Gewässer und hier vor allem die Randbereiche als Jagdareal genutzt werden. Bewachsene Buchten und Gewässerarme werden hierbei bevorzugt, vermutlich, weil dort Deckung zum Anflug genutzt werden kann und sich dort häufig Wasservögel aufhalten. Erbeutet werden dabei häufig kleinere Enten, Blessrallen oder Taucher, die wenn nötig, auch schwimmend zum Ufer gezogen werden. Größere Enten können hierfür zu schwer und kräftig sein, so dass er sie aufgeben muss.

 

Manchmal wird ein im Wassser rudernder Habicht von Krähen attackiert, die ihm dann seine Beute abjagen. Auch wenn er mit seiner Beute mit noch nassen Federn schon wieder in der Luft ist, lässt er sich von aufdringlichen Krähen oder anderen Greifvögeln viel eher als mit trockenen Flügeln zur Aufgabe der Beute drängen. Es gibt Habichte an Seen und in Teichgebieten, die sich auf Wasservögel spezialisiert haben und solche, die sich in vergleichbaren Habitaten fast ausschließlich von Tauben und Krähenvögeln ernähren.

 

Blessrallen verfahren bei einem früh erkannten Habichtangriff wie bei der Abwehr eines Seeadlers, in dem sie sich zu einem Pulk zusammenschließen und mit Wasser spritzen, meist wird dann der Angriff abgebrochen. Im Balkan wurden Habichte beobachtet, die im Herbst von der Entenjagd der Menschen profitierten, indem sie aufgescheuchte oder angeschossene Vögel erbeuteten.

 

Foto Wolfgang Wiesebach
Foto Wolfgang Wiesebach

Gut zu Fuß?

Habichte sind nicht nur in der Luft erfolgreich. Brütende Enten werden manchmal zu Fuß erbeutet, etwa wenn das Nest durch ein dichtes Gebüsch gegen einen Anflug geschützt ist. Diese Jagd zu Fuß wurde in seltenen Fällen auch auf Wiesen und Äckern beobachtet, wobei Habichte dann Amphibien, Käfer oder Eidechsen fingen.

In diese Kategorie kann man auch das Nesterplündern anderer Vögel einordnen, dies kann dann bei Bodenbrütern erfolgen, bei Krähen, Tauben aber auch selbst bei anderen Greifvögeln. Aktuelle Studien zeigen, dass Habichte die häufigsten Prädatoren an Rotmilanhorsten sind. Längere Zeit dachte man dabei eher an Waschbären oder Marder, Nestkameras halfen hier bei der Aufklärung. Die Habichte warten dabei oft, bis die Jungvögel fast flügge sind und erbeuten sie dann, manchmal täglich einen nach dem anderen.

 

Foto Bärbel Franzke
Foto Bärbel Franzke

Ein Kraftpaket

Die folgenden Beispiele beschreiben sicherlich nicht den Regelfall, sondern eher die Jagdzüge besonders kräftiger und erfahrener Tiere. So wurden Fälle beschrieben, in denen Auerhähne, Reiher, Gänse, Weiß- und Schwarzstorche von Habichten erlegt wurden. Auerhühner werden dabei meist flach angeflogen, Reiher dagegen von oben, um sie zu Boden zu drängen. In manchen Reiherkolonien sind die Jungreiher ebenfalls Ziel von Habichtangriffen, in einem Fall wurden in vier Jahren ca. 50 junge Reiher erbeutet.

 

Solch große und kräftige Beutetiere bedeuten für den Habicht immer auch ein Risiko, können diese sich doch mit Krallen und Schnabelhieben wehren. In manchen Fällen kam es zum gleichzeitigen Angriff von zwei verpaarten Habichten, die kooperativ etwa Haushühner oder im Berliner Tierpark Teichrallen und Tauben jagden. Was macht der Habicht im Erfolgsfall mit einer Gans oder einem Reiher? In den meisten Fällen kommt er wiederholt zum Kadaver und kröpft ein Teil der Beute, um es dann zum Horst zu bringen. Er kann aber auch das Gewicht mancher Beutetiere durch Ausräumen der Eingeweide oder Zerteilen so reduzieren, dass es für ihn transportabel wird.

 

Wie schwer die Last maximal sein darf, hängt sicherlich auch vom Gelände, dem Gefälle, der Thermik usw. ab, etwas mehr als sein eigenes Körpergewicht kann der Habicht aber sicher tragen. In Tibet wurde ein Habichtweibchen mit etwa 1300g Körpergewicht beobachtet, das einen zweieinhalb Kilo schweren Keilschwanzhahn etwa 500m weit trug.

 

Foto Bärbel Franzke
Foto Bärbel Franzke

Habichte sind keine Aasfresser!.....?

So sagt man und kann es auch häufiger lesen. Das wird auch für die meisten Habichte zutreffen, gerade eben war aber zu lesen, dass ein Habicht tagelang zu seiner großen Beute zurückkehrt um dort zu kröpfen. Da kann man sich jetzt streiten, ob eigene Beute als Aas eingestuft wird. Zusätzlich gibt aber es Sichtungen, bei denen Habichte wiederholt an Fuchsludern, verendeten Schafen und Saatkrähen gesichtet wurden. Dies erfolgte fast ausnahmslos im Winter und vermutlich nicht durch die Standhabichte, die vor Ort ihr Revier und die Beutegewohnheiten kennen.

 

Foto Wolfgang Wiesebach
Foto Wolfgang Wiesebach

Ein Vogelspezialist?

Auch hier ein klares Jein. Die Vogelwelt, meist von Drossel- bis Taubengröße dominiert schon die Beutelisten. Kaninchen, Junghasen, Ratten und Eichhörnchen werden aber auch relativ häufig geschlagen. Interessant ist in diesem Zusammenhang noch, dass die Vogelbeute in Relation zum Gewicht des Habichts durchschnittlich wesentlich schwerer ist, als die Säugerbeute. Hier bleibt meist nicht viel von der Beute übrig, man findet also keine gut sichtbaren Rupfungen, daher ist es schwierig den Anteil der Kleinsäuger an der Gesamtbeute zu abzuschätzen. Dies wird umso deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass es „den“ Habicht nicht gibt, weil alle Individuen mit ihren Historien, Talenten in verschiedenen Habitaten zu verschiedenen Zeiten unterschiedlichen Jagdgewohnheiten entwickeln.

 

Ein besonderes Erlebnis ist es, einen Habicht bei der Verfolgung eines Eichhörnchens zu beobachten. Das Eichhörnchen versucht häufig, in Spiralen um den Baumstamm herum zu fliehen, der Habicht kann mit seiner Wendigkeit in ebensolchen Spiralen folgen.

 

Foto Wolfgang Wiesebach
Foto Wolfgang Wiesebach

Zusammengefasst ist der Habicht ein opportunistischer Spezialist. Er hat einen Körperbau, der ihn mit außergewöhnlicher Wendigkeit und Kraft ausstattet, zugeschnitten auf Vogeljagd in vegetationsreicher Landschaft. Auf der anderen Seite ist er aber sehr vielseitig, was das Beutespektrum und die vielfältigen Jagdstrategien angeht. Nicht umsonst bewohnt er als Kulturfolger zahlreiche Großstädte, obwohl er eigentlich als heimlicher Waldbewohner bekannt ist.


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