Die Sache mit den Hirschen und den Kranichen


Eine Beobachtung aus der Lausitz. Bei einem Abendansitz beobachtete ich äsende Rothirsche, die sich nach etwa einer Stunde mitten auf einer über zehn Hektar großen Wiese hinlegten und dann etwa eine halbe Stunde lang ausruhten.

 

Dann betrat ein Kranichpaar mit zwei Küken vom Waldrand aus die Wiese und begannen diese zu überqueren. Bald wurde deutlich, dass sie genau auf die Hirsche zuliefen. Als sie nur noch etwa 30 Meter entfernt waren  standen zwei Hirsche auf, schauten dort hin und witterten. Die Kraniche liefen weiter. Dann standen auf einmal alle Hirsche (hier fängt das Video an) starrten zu den Kranichen und flohen dann quer über die Wiese. Am Ende waren sie über 400m gelaufen und verließen die Wiese.

 

In der Natur ist die zentrale "Währung" Energie. Tiere fliehen nur, wenn Gefahr droht und nur so weit wie es notwendig ist, wenn sie klug genug sind und die Lage einschätzen können. In diesem Fall kann ich mit Sicherheit sagen, dass die Hirsche nicht zum ersten Mal Kraniche sehen, die gibt es dort häufig. In anderen Fällen, äsen Hirsche direkt neben Kranichen ohne auch nur einen Meter zur Seite zu rücken oder diese auch nur zu beachten.

 

Wieso steht dieser Beitrag unter "Spuren lesen"? Nun, stellt euch vor ihr seid als Fährtenleser auf dieser Wiese unterwegs, seht erst die Adrücke der friedlich äsenden Hirsche, dann den Ruheplatz und schließlich die Fährten der fliehenden Hirsche - was wäre eure Vermutung gewesen? Nicht wenige hätten wohl an Wölfe (Wolfsgebiet) oder Menschen als störende Ursachen gedacht. Ich habe auf jeden Fall gelernt, meinen Raum der Möglichkeiten für das Verhalten von Wildtieren wieder um einiges zu erweitern.

 

Am Ende wird wieder einmal deutlich, dass wir lange nicht alles verstehen. Tiere sind ebenso Individuen, also unterschiedlich,  wie wir und bewerten außerdem Situationen häufig anders, in diesem Fall "hirschig."

Ich hatte auf der selben Wiese noch zwei weitere Beobachtungen:

  1. Ein Keiler überquerte im Trott die Wiese und hätte drei äsende Rothirsche im Abstand von etwa 40m passiert. Diese sind daraufhin geflohen, schneller noch als in dem Kranichvideo.
  2. 2 Rothirschkühe liefen mit 2 Kälbern ziemlich temperamentvoll über die Wiese, etwa 60 m an einer weit verstreuten Wildschweinrotte mit ca. 50 Tieren  vorbei. Die Bache formierte daraufhin ihre Rotte, sie schützten die Frischlinge und die Bache machte in Drohhaltung Front gegen die Hirsche.

In vielen anderen Fällen sind Hirsche und Wildschweine dort nebeneinander und durcheinander bei der Nahrungssuche unterwegs, ohne dass eine Flucht- oder Aggressionsreaktion erfolgt. Spekulieren kann man sicher Einiges, sicher ist für mich, dass wir nicht alles verstehen was zu beobachten ist und somit vielleicht auch mit der gebotenen Demut an Aufgaben des Färtenlesens herangehen sollten.