Eine Woche Vogelzug in Tarifa /Gibraltar


Greifvögel faszinieren mich schon seit meiner Kindheit. Eine Dokumentation über den Vogelzug an der Meerenge von Gibraltar hat mich dann letztes Jahr so sehr beeindruckt, dass schnell der Entschluss reifte: Einfach machen und nicht länger aufschieben. Ähnlich war es dann bei drei Freunden aus der Greifvogel AG des Nabu-Ruhr, die schnell Lust und Zeit hatten mitzukommen. 8 Augen sehen mehr als 2 und gemeinsam freuen ist auch schöner. Daneben ist es auch cool, wenn mal die eine oder andere voreilige Identifizierung noch einmal kritisch hinterfragt wird. Bisher verstehen wir (Elisabeth, Waltraud, Jan und Achim) uns prima!

Schwarzmilane
Schwarzmilane

Schon nach den ersten beiden Tagen sind wir platt und sprachlos: Übertausend Schwarzmilane, dazu Schlangenadler, Zwergadler, Schwarzstörche, Weißstörche, mehrere Schmutzgeier, Gänsegeier, Fischadler - atemberaubend und das in großartiger Naturkulisse mit Steilküsten, Korkeichenwäldern und extensiver Landwirtschaft.

 

Im Frühling steigen die Vögel in Afrika in große Höhen auf, um dann im Gleitflug das thermiklose Meer zu überwinden. Sie kommen dann in niedriger Höhe, teils unterhalb der Steilküste auf europäischer Seite an, je nach Wind mehr oder weniger stark seitlich abgetrieben. Einige haben richtig zu kämpfen um das Land zu erreichen.  

Schlangenadler
Schlangenadler
Schmutzgeier
Schmutzgeier
Gänsegeier
Gänsegeier
Zwergadler
Zwergadler
Gänsegeier
Gänsegeier
Schwarzstörche
Schwarzstörche
Weißstörche
Weißstörche

Nachdem wir am ersten Tag eher Schwarzmilantrupps von 8-15 beobachtet haben hatten die Reisegruppen am zweiten Tag meist eine Stärke von 100-200 Tieren, teils mehrere dieser Gruppen in einer Kette hintereinander.

Schwarzmilane
Schwarzmilane

Am dritten Tage wollten wir morgens eigentlich erst unseren bekannten Beobachtungsspot östlich von Tarifa direkt an der Küste ansteuern. Da schwacher Westwind angesagt war, würden die ziehenden Vögel vormittags vermutlich nicht weit Richtung Gibraltar abgetrieben werden. Darauf muss man hier immer achten, will man richtig etwas zu sehen bekommen. Nun es kam wie es kommen musste, wir quatschten im Auto fröhlich über die Planungen des weiteren Tages und fuhren an der schmalen Abfahrt von der Schnellstraße vorbei, merkten es natürlich erst ein wenig später. Noch viel später hätten wir die nächste Möglichkeit zum Wenden erreicht, da waren wir schon in der Nähe des nächsten Aussichtspunkts, eines Vogelbeobachungsunterstandes oben auf der Spitze der ersten Hügelkette, die parallel zur Küstenlinie verläuft. Dort waren wir schon einmal, bei Starkwind und mit dunklen Wolken: "ok....schauen wir uns das mal bei freundlicheren Bedingungen an"......."wenn wir schon mal hier sind"......

Gänsegeier
Gänsegeier

Gänsegeier! Ganz viele Gänsegeier. Sammelten sich in einem Kessel hinter der Hügelkette um in der Thermik an Höhe zu gewinnen. Dann lösten sich kleine Trupps nach und nach... und flogen direkt auf uns zu, dann aber links und rechts an uns vorbei.

Teils sehr nah, kraftvoll und doch mit betörender Leichtigkeit. Auch bisher eine der wenigen Szenen, bei denen diese Prachtstücke sich mal bequemen, ihre Flügel zu bewegen. Ach ja, wenn sie im Baum landen, brauchen sie die Flügel zum bremsen. Tolle Tiere - Ihr Sozialleben zu verstehen steht nun auf meiner (nicht sehr kurzen) to-do-Liste.

2,50 Spannweite fliegen da lautlos vorbei.......

Gänsehaut. Sprachlosigkeit. Adrenalin aufgebraucht.

Die meisten anderen Vögel sind an diesem Tag sehr früh an der Steilküste in größere Höhen aufgestiegen, so dass wir am Nachmittag an der östlichen Küstenecke kurz vor Algeciras unser Glück versuchten, der Westwind hatte aufgefrischt.

Schlangenadler
Schlangenadler
Schlangenadler
Schlangenadler
Schlangenadler
Schlangenadler

Die wunderbaren Schlangenadler lassen sich eigentlich ganz leicht erkennen: Die Silhouette ist durchaus bussardähnlich, der Schwanz etwas kürzer als die Flügel breit sind. Die auffällige gestrichelte Zeichnung mit den fetten Schwanzbinden, dazu die braune Kopfpartie mit den großen gelben Augen: Eine markante Erscheinung, die großen Exemplare können 1,8m Spannweite haben und schlagen ruhig und kraftvoll mit ihren breiten Flügeln. Meist sind sie alleine, manchmal in kleinen Trupps mit 3-4 Tieren unterwegs. 

Zwergadler
Zwergadler

Ja, das war der Nachmittag der Schlangen- und Zwergadler. Interessant wie sich unsere Wahrnehmung auf neue Muster einstellt. Niemand von uns hat vorher diese beiden Adler gesehen, in wirklich kurzer Zeit entsteht eine große Sicherheit in der Bestimmung.....

.......die aber schnell wieder ins Wanken gerät, wenn sich ein Faktor ändert: Das ist die dunkle Variante des etwa bussardgroßen Zwergadlers. Wir wussten alle, dass es sie gibt, als sie dann aber auftauchte: "War das eine Weihe? Ein Bussard war das nicht! Auf keinen Fall eine weibliche Rohrweihe!" Obwohl sich jemand ausdrücklich vorher gewünscht hatte, den dunklen Zwergadler mal zu sehen, kam niemand auf die Idee. Ich selbst übrigens auch nicht - es gibt immer was zu lernen.

Dann gab es noch ein cooles Falkenrätsel. Aufregung in der Vogelwelt. Drei Falken rasten auf den Aussichtspunkt zu. Die Falken riefen aufgeregt, andere Singvögel ebenso. 

Einer der drei sah doch etwas anders aus, flog dann quer von uns den Hang hinauf. "Das war kein Turmfalke, ein Baumfalke?" "Nein, auf keinen Fall" "Zu klein für ein Wanderfalke, auch nicht so kräftig"

Sperber
Sperber

Die Auflösung: Ein wunderschönes Sperbermännchen ist auf seinem Jagdflug entlang der Küstenlinie den Falken zu nahe gekommen, die sind dann auf ihn losgegangen. Als sie gemeinsam um die Felsen-Ecke flogen, waren die rufenden Turmfalken auffälliger und direkt identifiziert. Die Aufmerksamkeit des Beobachters wird häufig zuerst auf das Auffällige gerichtet. Bevor dann auffällt, dass noch ein anderer Vogel unterwegs ist, ist es meist schon vorbei - typischer Sperberauftritt! 

 

Sowohl Schwarz- als auch Weißstörche sehen wir meist in größeren Höhen die Meeresenge überwinden, die Weißstörche bilden dabei die wesentlich größeren Gruppen, teils 100-300 Tiere. Diese bilden regelrechte „Storchtornados“, wenn sie an einer Stelle an Höhe gewinnen wollen und alle gemeinsam in einer Thermiksäule kreisen: Ein atemberaubendes Bild. Ähnliches Verhalten sehen wir hier von Schwarzmilanen und Gänsegeiern, während die anderen Arten eher einzeln oder in kleineren Trupps unterwegs sind.

Weißstörche
Weißstörche

 

Es ist spannend zu sehen, wie sich Höhe und Art und Weise der Arten, aber auch der Individuen einer Art stark voneinander unterscheiden:   Zwergadler scheinen nicht viel Probleme zu haben. Herrschen ungünstige Windverhältnisse um das Festland zu erreichen, legen sich los und fegen mit hoher Frequenz und eher flachem drahtigem Flügelschlag der Küste entgegen.

 

Schlangenadler wie Schwarzmilane fliegen teils sehr niedrig und erreichen die Küste nahe der Wasserlinie. Ihr Flügelschlag ist weich und ruhig, jedoch scheint ihn manchmal die Kraft zu fehlen gegen den Gegen- oder seitlichen Wind anzukommen. Sie wanken dann fast dem niedrigsten Punkt der Küste entgegen, um  den ersten Thermikhauch zum Aufstieg nutzen, den sie finden können. Ob sie wirklich keine Kraft mehr haben oder einfach nicht mehr tun als sie müssen - schwer zu sagen. So wie die beschriebenen Schwarzmilane und Schlangenadler sich weit unten plagen, fliegen andere Exemplare der gleichen Art so weit oben, dass sie manchmal nur als Punkt wahrnehmbar sind, ohne Probleme mit der fehlenden Thermik. Die Gründe? Wetter, Tageszeit, Startpunkt wären denkbar, wir wissen es nicht.

 

Zwergadler
Zwergadler
Schlangenadler
Schlangenadler

 

Inzwischen haben wir einige neue Arten erwischen können: Zum Beispiel einen Mönchsgeier mit knapp 3m Spannweite. Stellt euch mal ein fliegendes muskulöses Brett mit endlos langen Federn vor, das anderthalb mal so lang wie euer Bett ist! Dazu scheint jetzt die Zeit der Weihen zu beginnen, so erreichen immer mehr, meist männliche, Rohrweihen die Küste - und heute war die erste Wiesenweihe zu sehen. Wir hoffen auf weitere und bekommen ein paar romantische Gefühle: Vielleicht begrüße wir ja hier Vögel, die wir später bei uns in Deutschland wiedersehen ...... hach - schön!

 

Mönchsgeier
Mönchsgeier
Rohrweihe
Rohrweihe
Rohrweihe - übrigens ist das Bild nicht von unten, sondern der Vogel fliegt quasi eine Steilkurve
Rohrweihe - übrigens ist das Bild nicht von unten, sondern der Vogel fliegt quasi eine Steilkurve
Wiesenweihe
Wiesenweihe

 

Auch wenn es an der Küste nie langweilig wird und grad immer irgendwelche Greifvögel den Himmel verdunkeln, so sind wir natürlich nicht weniger von den kleineren Bewohnern in den Büschen und Bäumchen fasziniert, hier zwei wunderschöne Exemplare: Das hier häufige Schwarzkehlchen und der in Deutschland seeeehr seltene Rotkopfwürger. Bitteschön.

 

Schwarzkehlchen
Schwarzkehlchen
Rotkopfwürger
Rotkopfwürger

 

Nicht nur an der Küste, auch im Hinterland gibt es eine Menge zu entdecken. Zum Beispiel ein Brutvorkommen des Waldrapps, eines der seltensten Vögel der Welt. Lustigerweise in einer Felswand direkt an einer stark befahrenen Straße. Ausgewilderte Tiere, die sich diesen Platz selbst ausgesucht haben. Nun die Wand sieht toll aus und in der Nähe ist Salz-Marschland, was will ein Ibis-Vogel mehr? Übrigens sehr soziale Vögel, bei denen sich der gesamte Clan gemeinsam um den Nachwuchs kümmert und .....wieder sind wir verliebt. 

Interessant ist auch, dass es durchaus Menschen gibt, die sagen, Waldrappe wären unglaublich hässlich. Einerseits können wir nachvollziehen, woher diese Sichtweise kommt, andererseits finden wir das (alle) überhaupt gar nicht. Irgendwie wirken sie klug und liebevoll, die scheinbar schwarzen Federn schimmern vielfarbig in der Sonne .....und dann dieser Blick! Na, das muss jeder selbst entscheiden.

Hier gibt es Infos zum Waldrapp-Projekt.